Müde Mythen über Whisky, Teil 1

Um kaum eine andere Spirituose ranken sich so viele Mythen wie um den Whisky. Eine ganze Reihe dogmatischer Weisheiten geben die jeweils vermeintlich einzig korrekte Art und Weise wieder, wie, wann und womit man Whisky richtig trinkt. Whisky, könnte man meinen, ist ein sehr ernstes Thema, ist beinahe Religion. Dass es dabei in erster Linie um Freude am Genuss gehen sollte, kommt dabei oft viel zu kurz.

Wir wollen mit dieser Reihe einige dieser alten und, wie wir finden, überkommenen (weil genussfeindlichen) Mythen behandeln und zeigen, dass es auch anders geht. Dass Whisky nicht bloß ernster Drink für mürrische alte Männer sein muss, sondern so viel mehr sein kann – und darf.

Mythos: Whisky sollte unverdünnt getrunken werden

„Um Gottes Willen, ausschließlich pur! Und bei Zimmertemperatur; On The Rocks ist für Banausen und Amis!“ – solche und ähnliche Kommentare fallen immer wieder, wenn es um die „richtige“ Trinkweise für Whisky geht. Allenfalls Bourbon solle man auf Eis genießen, aber nicht die guten Schotten. Aber stimmt das? Wir haben genauer nachgeforscht und kommen zum Schluss, dass auch Scotch Whisky mit Wasser in all seinen Formen gut harmoniert, sogar wenn es sprudelt!

 

Wasser in den Whisky. Eine klare Sache?

Da gönnt man sich einen ordentlichen Single Malt wie die Lagavulin Distillers Edition von Islay vor der stürmischen Westküste Schottlands, freut sich auf das breite Geschmacksspektrum, die feinen Torfnoten, die subtilen Aromen aus dem Fass, in dem zuvor andalusischer Amoroso Sherry reifte. Und da soll man jetzt Wasser reinkippen? Nicht wenigen Whisky-Liebhabern widerstrebt die Vorstellung, einen solchen Tropfen zu „verwässern“.

Das ist nachvollziehbar, denn so wertvoll uns ein guter Single Malt ist, so alltäglich und banal scheint uns hierzulande einfaches Trinkwasser. Dabei predigen Genießer seit Jahr und Tag das Verdünnen gerade hochwertiger Whiskys: „WASSER IST DEIN FREUND“, ruft der international bekannte Whiskykenner und Autor Dave Broom unmissverständlich und in Großbuchstaben in die Welt hinaus.

Schottland

Denn wenn man dem Whisky Wasser hinzufügt, verändert sich mit der Zusammensetzung auch sein Geschmack. Ein kurzer Ausflug in die Chemie des Hochprozentigen zeigt, warum das passiert. Übersteigt nämlich der Alkoholgehalt einer Flüssigkeit die magische Grenze von etwa 20% Vol., kommt es zu einer wichtigen Veränderung. Nun nämlich beginnt, vereinfacht gesagt, das Ethanol damit, die Geschmackskomponenten des Whiskys einzuschließen. In der Folge empfinden wir das Getränk als schärfer, der Alkohol tritt hervor, gleichzeitig fällt es Nase, Zunge und Gaumen immer schwerer, subtilere Aromen zu identifizieren. Diese werden in den höheren Prozentbereichen von der Dominanz der scharfen Noten überdeckt.

Durch die Zugabe kleiner Mengen von Wasser werden bis dahin „eingesperrte“, verborgene Geschmacksnoten und Aromen freigesetzt, wodurch der Whisky plötzlich eine wesentlich breitere Bandbreite zu bespielen beginnt. Nuancen, die zuvor verborgen waren, kommen nun deutlicher in den Vordergrund und können in Kombination mit den dominanten Zügen eines kräftigen Single Malt für ein ganz neues Genuss-Erlebnis sorgen. Manchmal kann schon ein einziger Tropfen Wasser dem Alkohol im Glas das entscheidende Quäntchen Schärfe nehmen. Das spürt man dann bereits vor dem Trinken beim „Nosing“, also dem Riechen, wenn ein zuvor ungeahnt breites Spektrum an Aromen in der Nase freigesetzt wird. Der Geruchssinn wiederum beeinflusst den Geschmack ganz wesentlich und führt uns in neue Gefilde des Genusses. So wird auch der in dieser Hinsicht unverdächtige Schotte Dave Broom poetisch, wenn er den Effekt beschreibt: „Wie ein sommerlicher Schauer die versteckten Düfte einer trockenen Landschaft zum Vorschein bringt, so belebt ein Tropfen Wasser den Whisky.“

Whisky richtig trinken

Dabei ist die ideale Menge an Wasser variabel. Kenner fügen ihrem Whisky kleine Mengen Wasser hinzu, bis er die optimale Balance erreicht hat. Das können einige Teelöffel oder auch nur ein einziger Tropfen aus der Pipette sein – individuelle Vorlieben und der Charakter des jeweiligen Whiskys geben hier den Ausschlag.

Mittlerweile lässt sich beobachten, dass auch unter Puristen die Bereitschaft steigt, sich auf Wasser im Whisky einzulassen. Es wird natürlich immer jene geben, die über das „Verwässern“ feiner Single Malts die Nase rümpfen. Aber diese standhaften Bewahrer des Dogmas vom puren Whisky werden weniger, während immer mehr Menschen den sanfteren Charakter von Whisky con agua zu schätzen wissen.

 

Das Sakrileg: Single Malt auf Eis?

Das Hauptargument gegen Eiswürfel im guten Single Malt klingt so einfach wie einleuchtend: Kälte hindert Aromen und Geschmacksstoffe an ihrer vollen Entfaltung. Im Ergebnis führt Eis also dazu, dass man weniger vom Whisky schmeckt. Ob es die „richtige“ Art sei, einen Whisky mit Eis zu trinken, wird meist mit einem kategorischen „Nein“ beantwortet. Vielleicht muss man auch hier etwas relativieren – die Argumente gegen das Eis sind zwar nicht ganz falsch, allerdings treffen sie nicht für alle Trinksituationen zu. Kenner etwa verzichten an heißen Sommertagen gerne auf die Zugabe klaren Wassers und fügen ihrem Whisky stattdessen ein, zwei große Eiswürfel hinzu. Wer auf die ideale Kombination aus Temperatur, Geschmack und Stil Wert legt, greift an dieser Stelle zum handgeschnitzten Eisball. Das Eis schmilzt dadurch langsam und gibt kontinuierlich Wasser an den wärmeren Whisky ab, der dadurch nicht nur gekühlt, sondern gleichzeitig optimal verdünnt wird.

Sprudel zum Rauch: prickelnder Lagavulin?

Spätestens seit Johann-Jacob Schweppe Ende des 18. Jahrhunderts großen Erfolg mit seinem in Flaschen abgefüllten Sprudelwasser hatte, fand Soda seinen Platz an der Seite von Gin, Brandy und – natürlich – Whisky. Lange war der Siphon als Sodaspender geradezu synonym mit gehobenem Trinkgenuss und unverzichtbarer Bestandteil jeder ordentlichen Hausbar. Aber obwohl der angebotene Scotch Soda in keiner respektablen angloamerikanischen Fernsehserie seit den 1960ern fehlen durfte, ist das Mischen mit prickelndem Wasser keineswegs eine Selbstverständlichkeit geworden. Nach wie vor hält sich hartnäckig das Gerücht, zum Mischen sei der gute Single Malt zu schade. Dabei gibt es kaum einen besseren Begleiter für die herrliche Lagavulin Distillers Edition oder auch für den rauchig-scharfen Talisker 10 Jahre.

Mit Kohlensäure versetztes Wasser prickelt nicht nur, es spielt auch darüber hinaus eine wichtige Rolle für den Geschmack von Getränken. Die kleinen Bläschen rufen einen Eindruck von Frische hervor und mindern die Bitternoten im Abgang. Soda ergänzt sich besonders vorteilhaft mit rauchigen Whiskys und bringt aufgrund der mitgebrachten Mineralität leichte Salznoten ins Spiel der Aromen ein. Darüber hinaus reizt Kohlensäure die Schmerzrezeptoren auf der Zunge, was die Ausschüttung von Endorphinen zur Folge hat. Dass diese Botenstoffe Glücksgefühle auslösen, ist ein ausgesprochen willkommener Nebeneffekt der prickelnden Frische von Mineralwasser und Soda.

Gerade für die rauchigeren Whiskys mit Noten von Torf und Seeluft wie die bereits erwähnte Lagavulin Distillers Edition, oder auch für den portemonnaie-freundlicheren Talisker 10 Jahre eignet sich Soda als Begleiter hervorragend und bringt die Stärken des Whiskys am Gaumen erst richtig zur Geltung.

 

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Fazit: Whisky liebt Wasser – in all seinen Formen

Wasser tut dem Whisky gut, es setzt Aromastoffe frei und nimmt dem Alkohol seine Schärfe. Auch als Eis sollte es für Scotch-Puristen kein Tabu mehr sein – wenn es heiß ist, zum Beispiel. Und von Soda profitieren nicht nur süße Mischgetränke, sondern auch respektable, kantige Single Malts. Dabei gibt es keine klaren Regeln, sondern es gilt: so trinken, wie man es persönlich bevorzugt. Whisky sollte Genuss, nicht Dogma sein. Also ausprobieren, entdecken und sich überraschen lassen!

 

Weiterlesen im Blog:

Wissenswertes zum Talisker Single Malt und dem Geheimnis seiner Herkunft

Was ist Talisker Whisky? Eine Geschichte aus Schottland

Literaturtipp:

Dave Broom, How To Drink Whisky: Vom Mixen und Trinken, Hallwag 2015.