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Nicht nur für Kenner rauchiger Whiskys ist sie ein Paradies: die südlichste Hebriden-Insel Islay. Ihre fruchtbaren Böden und die vielfältige Fauna verdankt die Königin der Hebriden dem für Schottland vergleichsweise milden Golfstrom-Klima. Dass auf Islay (sprich: „Eilah“) vor allem intensiv getorfte Single Malts hergestellt werden, hat einen anderen Grund. Mehr dazu …
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Wer sich für Whisky interessiert, wird über kurz oder lang auch besonders rauchige Whiskys kennen lernen – und dabei meist sehr schnell bei Islay Whisky landen. Islay ist der Name der einzigen Insel Schottlands, die von der Scottish Whisky Association (SWA) offiziell als eine eigene Whisky-Region anerkannt wird. Die anderen Insel-Whiskys (insbesondere die Nachbarinsel Jura mit der gleichnamigen Brennerei oder die Isle of Skye mit Talisker) werden oft als Island Whiskys zusammengefasst und von der SWA der Whisky-Region Highland zugeordnet.
Islay liegt, innerhalb der Schottischen See, zwischen der Hebridensee und dem Nordkanal, im Dreieck zwischen Nordirland, Irland und dem schottischen Festland (dem nördlichen Drittel der Insel Großbritannien). Zwischen Islay und der Landmasse Schottlands liegt die Insel Jura. Der beide Inseln trennende Islay-Sund ist an seiner schmalsten Stelle nur rund einen Kilometer breit, während der Jura-Sund zwischen Jura und der britischen Hauptinsel mindestens sechs Kilometer breit ist. Islay ist bekannt dafür, dass dort deutlich mehr Schafe als Menschen leben. Außer den Schafen stehen auf Islay auch rund zehn aktive Whisky-Brennereien, die einige der begehrtesten torfig-rauchigen Single Malt Whiskys der Welt herstellen. Rund 20 weitere Destillerien auf Islay haben im 19. und 20. Jahrhundert produziert und den Betrieb im Laufe der Zeit wieder eingestellt.
Islay ist eine absolute Torf-Insel. Rund 70 % der Inseloberfläche Islays ist mit Torf bedeckt. Selbst für schottische Verhältnisse, wo Torfmoore noch nicht so eine Seltenheit sind wie in den Naturschutzgebieten Europas, ist das ein besonders hohes Torfvorkommen. Die meterdicken (und tausende Jahre alten) Torfschichten beginnen direkt unter der Grasnarbe und können relativ einfach gestochen werden. So verwundert es nicht, dass Torf als Brennstoff auf Islay deutlich präsenter ist als Holz. Das wenige Holz der Wälder auf Islay wurde seit jeher lieber als Baumaterial – insbesondere für Schiffe – verwendet und nicht als Feuerholz verschwendet, wo doch der allgegenwärtige Torf dazu besser geeignet war.
Für den Geschmack von Islay Whisky ist der Torf von besonderer Bedeutung. Der Torf-Geschmack scheint auf der Insel ohnehin allgegenwärtig. So ist auch im Trinkwasser der hohe Torfanteil des Inselgrunds geschmacklich wahrnehmbar – und dieses Wasser kommt auch für den Whisky zum Einsatz. Verantwortlich für den typischen Torfrauch-Geschmack ist allerdings vor allem der Rauch des Torffeuers, mit dem traditionell die Gerste beim Mälzen gedarrt wird. Um aus Gerste Malt Whisky zu brennen, lässt man das Getreide zunächst in Wasser keimen. Dann stoppt man den Keimvorgang durch die Trocknung, das „Darren“, um anschließend eine Maische anzusetzen, in der durch Gärung der Alkohol entsteht.
Während das Darren mit normalem Feuer oder auch nur heißer Luft wenig Einfluss auf den Geschmack des späteren Whiskys hat, setzen sich die Rauchpartikel des Torffeuers geschmacklich derart intensiv in dem entstehenden Gerstenmalz fest, dass sie noch nach der Destillation und der mehrjährigen Lagerung des Whiskys mehr als nur wahrnehmbar sind. Wie stark der Torfrauch im Whisky präsent ist, wird als Phenolgehalt in ppm (parts per million) angegeben – wie viele aromatische Phenolverbindungen in einer Million Teilchen enthalten sind. Zwar gehen bei der Destillation und der Lagerung einige Phenole verloren, aber so mancher Islay Whisky hinterlässt einen Nachgeschmack, bei dem auch nach Stunden noch Torfrauch-Aroma präsent ist.
Wenn man von Islay Whisky spricht, meint man also meist intensiv und rauchig schmeckenden Single Malt, der aus getorftem Malz gebrannt wurde. Die verschiedenen Islay Brennereien haben alle mehrere, unterschiedlich lange gereifte Islay Single Malt Whiskys im Angebot, wobei in der Frage nach der optimalen Lagerungsdauer die Meinungen auseinander gehen. Gilt bei Scotch Whisky allgemein das Produkt oft als desto hochwertiger, je länger es in Holzfässern reifte, sind Kenner bei Islay Whisky manchmal anderer Meinung. Denn die lange Reifezeit im Holzfass kann auch die gewünschte Intensität der Torfrauch-Aromen abschwächen. So bevorzugen manche Torfrauch-Genießer bei Islay Whisky die jüngeren Abfüllungen – wie etwa den achtjährigen Lagavulin, 10-jährigen Ardbeg Ten oder die meist nur 5 Jahre gereiften Octomore Whiskys von Bruichladdich, die aus besonders phenolhaltigem Malz gebrannt werden.
Der berühmt-berüchtigte Torfrauch-Geschmack macht Islay Whisky auch attraktiv für Blended Whisky. Zahlreiche bekannte Blended Scotch Whiskys enthalten einen Anteil an Islay Whisky – für die gewisse Rauchigkeit, die auch viele Liebhaber milder und ausgewogener Blends nicht missen möchten. Besonderen Islay Blended Malt Whisky, in denen ausschließlich verschiedene auf Islay produzierte Whiskys verschnitten werden, bietet unter anderem der unabhängige Abfüller Douglais Laing an – etwa unter dem Markennamen Big Peat Whisky.
Es gibt allerdings auch ungetorften Whisky von der Insel Islay. So ist die Islay Brennerei Bruichladdich – jenseits der Marke Port Charlotte und der stark getorften Octomore-Reihe – vor allem für ihre Islay Barley Whiskys bekannt, die sie aus ohne Torfrauch gemälzter Gerste herstellt. Die in den 2000er Jahren renovierte und seither als besonders progressive Hebriden-Brennerei beruft sich dabei auf Quellen, die auch für das Ende des 19. Jahrhunderts Bruichladdich als einzige Islay Brennerei beschreiben, die die Darröfen anstatt mit Torf mit Kohle betreibt.
Auch die Brennerei Bunnahabhain pflegt seit den 1960er Jahren ihre eigene Tradition, markanten Islay Whisky mit vom Festland per Schiff angeliefertem unpeated Malt (ungetorftes Gerstenmalz) zu brennen. An geschmacklicher Intensität stehen die verschiedenen Bunnahabhain Single Malts ihren Nachbarn von Islay – oder getorften Spezialitäten des eigenen Hauses – in nichts nach. Den Charakter von Islay Whisky zeichnet also nicht nur der Torf aus, auch mit ungetorftem Malz wird auf Islay sehr kräftiger, geschmacklich herausfordernder Whisky hergestellt, was unter anderem auch am Wasser liegt.
Heute sind Islay Whiskys weltweit bekannt und beliebt für ihren besonderen Geschmack mit den intensiven Torf-Rauch-Aromen. Doch Rauch ist nicht alles, was Islay Whisky ausmacht. Neben dem berühmten Lagerfeuer am Strand tauchen – nicht zuletzt durch die verschiedenen Fasslagerungstechniken – auch Vanille- oder Fruchtnoten auf.
Viele Islay-Kenner erfreuen sich an der scheinbar dem rauchigen Charakter gegensätzlichen Süße, die wärmend und geschmeidig hinter dem Torfrauch hervortritt und peat paradox genannt wird. Dieses Phänomen wird insbesondere den stark getorften Single Malts von Ardbeg zugeschrieben, aber auch bei Caol Ila Whisky ist es vernehmbar.
Für den typischen Islay Geschmack fast ebenso wichtig wie Rauch, und insgesamt markanter als andere Facetten, sind die maritimen Noten, die einen beim Genuss an die von Wellen umspülten Küsten der Insel versetzen. Die rund zehn derzeit betriebenen Islay-Brennereien schaffen es alle auf ihre ganz eigene Weise, mit diesen typischen Elementen ihren eigenen Charakter zu prägen. Zu den Besonderheiten von Islay Whisky gehört, dass viele Distilleries hier auf Kältefiltrierung und Nachjustierung der Farbe verzichten. Markant sind auch die großflächigen Aufschriften der Brennereinamen auf den Fassaden der Destilleriegebäude, die meist vom Meer aus weithin sichtbar sind.
Neben Torf und Rauch gilt auch Salz als typische Tastingnotiz, die bei Islay Whisky merklich häufiger auftritt als bei anderen Scotch Single Malts. Die feine Meersalz-Note und andere maritime Aromen führen die Islay Brennereien auf die Tatsache zurück, dass ihre Produktionsanlagen und vor allem die Lagerhallen sehr nah am Wasser gebaut sind. Islay Whisky reift sozusagen direkt an der Küste im Einfluss der Gezeiten – im wahrsten Sinne des Wortes: Bei Küstenbrennereien wie Laphroaig, Bowmore oder auch Bunnahabhain soll es durchaus manchmal passieren, dass der Meeresspiegel bei Flut über den Grundmauern der Fasslager steigt und die Fässer in direkten Kontakt mit dem Salzwasser des Atlantiks kommen. Ansonsten reicht aber auch die langjährige Lagerung bei einer frischen Meeresbrise, um einen vernehmbaren Küsten-Geschmack im Islay Whisky zu haben.
Der Grund, warum die Islay Destillerien so nah an den Ufern der Insel stehen, ist allerdings nicht in bewussten Planungen und Strategien zu sehen, dadurch den Geschmack von Islay Whisky besonders zu prägen. Vielmehr sind neben der Inselhauptstadt Bowmore (rund 800 Einwohner) viele weitere „Städte“ der wenig besiedelten und hügeligen Insel direkt an der Küste, vor allem auch Hafenstädte wie Port Ellen, Port Charlotte oder Port Askaig. Auf Islay leben rund 10-mal so viele Schafe wie Menschen und nur einige wenige Hauptverkehrsstraßen verbinden die Siedlungen auf dem Landweg, sodass die meisten Verkehrs- und Transportwege ohnehin über Fähren und Schiffe führen. So dürfte es vor allem logistische Gründe haben, dass die rund 10 derzeit aktiven Whisky-Brennereien auf Islay allesamt an Küstenstandorten zu finden sind.
Wenn von den traditionellen Rauch-Aromen der berühmten Islay Single Malt Whiskys die Rede ist, fällt oft auch der Name Port Ellen, obwohl die gleichnamige Brennerei der Hafenstadt an der Südküste Islays lange Zeiten geschlossen war. Die 1825 gegründete Destillerie hatte anfangs schon stark auf Export in die USA gesetzt und fiel daher 1929 der dortigen Prohibition zum Opfer. Auch die Wiedereröffnung 1966 hielt auch nur bis 1983 an. Die Brennanlagen wurden demontiert und in den 1990er Jahren verlor der Standort sogar die Brennlizenz.
Unabhängig davon, wie die Geschichte der Brennerei Port Ellen mit den Neubauplänen von 2020/2021 weiter geht, ist Port Ellen vor allem durch seine Maltings bedeutend für Islay Whisky. Auch in den Phasen ohne eigene Brennerei war Port Ellen ununterbrochen als Mälzerei aktiv. Schon nach der ersten Schließung blieben die Mälzböden in Betrieb, um andere Islay Brennereien mit getorftem Malz zu versorgen, allen voran die nahe gelegene Lagavulin Distillery. Während der Wiedereröffnungsphase der Brennerei wurde auch die Port Ellen Mälzerei 1973 großzügig ausgebaut.
Gerade auch die für besonders rauchige Whiskys bekannten Islay Brennereien Ardbeg und Caol Ila verzichten komplett auf eigene Mälzerei und beziehen das Malz mit den für ihren Geschmack gewünschten Phenolgehalt bei Port Ellen. Auch der als unverwechselbare Brennereicharakter von Laphroaig hat zumindest beim verwendeten Malz einen Anteil von rund 75 % an aus den benachbarten Port Ellen Maltings zugekauftem Malz. Ein großer Anteil der Islay Whiskys hat also in den Mälzereien von Port Ellen ihren Ursprung, wo mit dem Torf des Castlehill-Moores der typische Islay-Torfrauch-Geschmack entsteht. Wie unterschiedlich und vielfältig die verschiedenen Islay Whiskys dennoch schmecken, zeigt, wie varianten- und facettenreich sowohl die Malz-Herstellung als auch die Whisky-Destillation ist – und beileibe nicht allein die verwendete Gerste für den Geschmack des Whiskys verantwortlich ist.
Wie groß der Einfluss des eingemaischten und gebrannten Getreides auf den Whisky-Geschmack ist, ist ein Rätsel, das Tasting-Experten vor besondere Herausforderungen stellt. Die Unterschiede zwischen Scotch Malt Whisky (aus gemälzter Gerste) und Grain Whisky (aus anderen, teils ungemälzten Getreidesorten) – sowie insbesondere der Unterschied zu Bourbon (mit hohem Mais-Anteil) oder Rye Whiskey (überwiegend Roggen) – dürften noch vielen geschmacklich auffallen. Bei Unterschieden in der Verarbeitung der Gerste zu Malz ist jedoch die Verwendung von Torf zum Darren bereits die einzige einem größeren Publikum bekannte Methode mit geschmacklich identifizierbarer Note.
Wo das Getreide angebaut wurde, aus dem der Whisky gebrannt wird, ist beim Whisky-Geschmack noch keine eigene Kategorie – anders als bei Wein oder Cognac, wo neben der Rebsorte auch das Anbaugebiet der Weintrauben und allgemein das Terroir einen hohen Stellenwert hat. Einer der wenigen Versuche, dem Rohstoff und seiner Herkunft besondere Geltung zu verschaffen, wird auf Islay durch die Bruichladdich Distillery betrieben. Seit 2004 wird für Bruichladdich Islay Single Malt Whisky nur noch schottische Gerste verwendet (meist auch regional und biologisch angebaut) und bei verschiedenen Jahrgangsabfüllungen in Reihen wie Islay Barley, Bere Barley, oder The Organic auch die jeweilige Gerstensorte und das Anbaugebiet (beziehungsweise die Herkunftsfarm) der verwendeten Gerste angegeben.
Islay bietet durch sein für schottische Verhältnisse vergleichsweise mildes Klima gute Bedingungen für Getreide, das markant fruchtige Facetten entwickelt. Für einen direkten Geschmacksvergleich mit anderen Getreidesorten und Anbaugebieten sollte man allerdings darauf achten, dass auch die Fasslagerung der Whiskys vergleichbar ist, denn der Reifung in Holzfässern wird gemeinhin der größte Einfluss auf den Whisky-Geschmack zugesprochen.